Klinikaufenthalt
Mein Bericht über meinen Klinikaufenthalt vom
13.08.2002 – 16.10.2002
Lange lange habe ich mit mir gekämpft: Sollst Du jetzt in die Klinik gehen, oder nicht? Ich bin seit Anfang 2002 in therapeutischer Behandlung und mein Therapeut hat es mir wärmstens empfohlen. Dann war auch noch mein Vater dafür und meine Lehrer hielten es für sehr hilfreich. Also hab ich mich doch dafür entschieden.
Natürlich hatte ich ziemlich grosse Angst davor: Was kommt da auf mich zu, was machen die mit mir, wie wird es da wohl sein?
Das Schlimmste war für mich erst mal der Abschied von meinen Freunden, denn es standen 3 Wochen Kontaktsperre am Therapiebeginn vor mir. Das war gar nicht so leicht. Als der Aufnahmetermin immer näher rückte, bekam ich schon Zweifel, aber ich wollte keinen Rückzieher machen. Ich dachte immer noch: Du bist nicht so kr*nk, dass Du in ne Klinik musst. Dir geht’s doch eigentlich gut und Du kannst aufhören wenn Du es willst. Natürlich konnte ich das nicht, aber das habe ich damals noch verdrängt. Ich empfand mich für ganz normal, nur etwas em*tio*al überempfindlich. Ich redete mir immer noch ein, dass ich das alleine schaffen kann, dass ich keine Hilfe brauche... Aber wie gesagt, ich hab mich dann doch dazu entschieden.
Mein Vater brachte mich am Morgen des 13.08.2002 dann zur Klinik. Der Abschied fiel mir schwer. Als ich all*ine war, musste ich erst mal furchtbar w*in*n. Als ich mich beruhigt hatte gab es Mittagessen und ich wurde mit Applaus empfangen. Am liebsten hätte ich weiterg*he*lt... aber ich hab mich zusammengerissen.
Nachmittags hatte ich dann meinen ersten Termin bei meinem Therapeuten und nach und nach bekam ich meinen Wochenplan. Ich wurde in verschiedene Therapien eingeteilt: Bewegungstherapie, Gestaltungstherapie und Maltherapie.
In der Bewegungstherapie wurde „Sport“ gemacht. Nicht ganz so, wie man es aus der Schule kennt, denn nach jeder Stunde folgte auch ein Gespräch in der Gruppe mit dem Bewegungstherapeuten, in dem man seine Erlebnisse mit dem Spiel/der Sportart erzählen konnte.
Mein Favorit war natürlich die Gestaltungstherapie. Da ich sowieso so gerne male hat mir das am meisten geholfen. Dazu kam noch, dass ich eine total liebe Ergotherapeutin hatte. Sie war immer so vorsichtig und behutsam mit mir, ja, so liebevoll... . Privat habe ich auch viele Bilder gemalt. Die habe ich einmal mit in die Therapie gebracht und dort mit meiner Therapeutin besprochen. Das hat mir auch unheimlich viel gebracht. So konnte ich meine eigenen Bilder besser verstehen und somit auch meine S*ele.
Bei der Maltherapie haben wir mit Fingerfarben auf Tapete gemalt. Das war total lustig, mir hat’s echt gefallen, ich bin ja wirklich ein „Spielkind“ :-) Ich kam mir wieder vor wie ein kleines Kind. Wir bekamen ein Thema gesagt, z.B.: „Ich und meine Familie“ und ohne zu denken, ganz spontan sollten wir da ein Bild zu malen. Diese Bilder wurden dann in der Malbesprechung aufgehängt und besprochen. Das hat mir auch sehr sehr viel gebracht! .
In der Woche hatte man auch viel Zeit für sich. Die hab ich auch echt gebraucht. Neben den Therapien hatte man auch noch Gespräche mit den Pflegern und dem Therapeut. Es gab auch noch freiwillige Veranstaltungen. Das Wochenende hatte man in der Regel ganz frei. Das war echt schön, nur in der Kontaktsperre war es etwas langweilig. Man hatte genug Zeit, sich mit den Gefühlen und der Vergangenheit, ja einfach mit sich selbst, auseinanderzusetzen. Und das tat auch echt gut. Während der Kontaktsperre hatte ich genug Zeit um zu mir selbst zu finden. Die Therapeuten und die Pfleger waren alle total lieb und ich hatte das Glück eine total liebe Bezugsschwester zu haben. Ich habe sie auch direkt ins Herz geschlossen und konnte sogar vor ihr meine Maske fallen lassen in dem ich vor ihr g*we*nt habe. Das ist mir schon lange nicht mehr passiert und ich war erst nur erstaunt und hatte Angst, dann hab ich aber einfach den Tr*n*n freien Lauf gelassen und mich ausg*we*nt. Sie hat geduldig gewartet bis ich mich wieder beruhigt hatte und gab mir ein Taschentuch.
Auch die Mitpatienten waren größtenteils in Ordnung. Ich denke gerne an die Zeit zurück... Lachen am Esstisch, unser abendliches UNO spielen, unsere Späßchen... ja, Spaß muss auch mal sein! :-)
Aber es war nicht nur Spaß in der Klinik. Ich habe in den 9 Wochen sehr sehr viel g*we*nt. Ich habe so viel über mich selbst gelernt, über meine Krankheit, über meine S*ele... Ich weiss jetzt, wie ich mit mir und meiner Krankheit umgehen kann. Ab und zu kann ich das R*tz*n vermeiden und das Ha*rspr*y lasse ich jetzt ganz weg. (Keine genauere Erklärung dazu.) Ich kann meine Grenzen klar machen und sie vor allem auch selbst wahren. Vorher wusste ich ja nicht mal, dass ich Grenzen habe... Jetzt kann ich ganz klar STOP sagen, was ich aber auch erst mal lernen musste. Ich weiss jetzt wie meine Verhaltensmuster sind und warum sie so sind. Ich habe den Grund meiner Krankheit herausgefunden und das wichtigste ist für mich immer noch: Ich bin mit dem kleinen Kind in mir in Berührung gekommen. Ich wusste gar nicht, dass es in mir noch ein kleines Kind gibt, aber es ist so, die kleine Susanne ist da und sie wollte nicht mehr länger ignoriert werden. Ich weiss jetzt auch, was mit ihr los ist. Es geht ihr sehr schlecht. Sie hat viel Angst, sie w*int viel, fühlt sich immer all*ine, ist total hilflos und verletzlich. Schutzlos und hoffnungslos... sie streckt sich nach einer helfenden Hand aus, wurde aber schon zu oft enttäuscht um noch vertrauen zu können. Sie wurde zu oft all*ine gelassen, ihr wurde zu oft wehgetan.
Diese Gedanken und die Gefühle habe ich nie zugelassen. 18 Jahre lang habe ich es nur verdrängt und wollte es nicht wahr haben. Doch in meiner S*ele und in meinem Unterbewusstsein war es immer da.
Ich habe gelernt, dass ich die Gefühle zulassen muss. Das fällt aber – immer noch - so sehr schwer, denn es ist unheimlich schm*rzv*ll. Alles, was sich die 18 Jahre lang aufgestaut hat, kommt jetzt geballt aus mir raus. Deshalb das R*tz*n. Ich halte es sonst nicht aus, ich habe Angst, dass ich explodiere, wenn ich mich nicht ritze. Es ist bei mir zur S*cht geworden, man kann es „nicht einfach lassen“ wie mir viele immer sagen, wenn ich es wieder gemacht habe. Dann kann ich genau so sagen: Lass doch EINFACH das rauchen. Haha, so einfach schafft das ja auch keiner. In der Klinik konnte ich mir aber einen „Notfallkoffer“ erstellen, der mir schon oft geholfen hat, das R*tz*n zu unterlassen.
Kleiner Ausschnitt:
Als erstes sind da die Igelbälle, die helfen sehr den Druck auf eine andere Art loszuwerden.
Dann sind da meine Joggingschuhe. Joggen hilft Stress und Druck einfach rauszulaufen.
Dann sind da viele Taschentücher, damit ich den Druck rausw*inen kann.
Und eine Telefonliste on Menschen, die ich im Notfall anrufen kann; und natürlich mein Handy, dass ich dann im Notfall schnell zur Stelle habe.
Und last but not least meine Bedarfsmedizin.
So ein Notfallkoffer ist also wirklich praktisch. Dann muss man im Notfall nicht noch anfangen nachzudenken, was man denn dagegen tun könnte, denn dann geht es erst recht in die Hose
Trotz dieses tollen Koffers geht es aber manchmal trotzdem noch schief, ohne dass ich was dagegen tun kann. Jedoch ist es durch die Klinik schon besser geworden.
Ich hab also echt viel dazugelernt und bin wirklich froh, dass ich den Schritt doch gemacht habe und mich in stationäre Behandlung begeben habe.